Kampong Cham  |  25/03/2018  |  37°C

 

HEIMISCH FREMD.

So fühle ich mich gerade. Ich bin angekommen und hier irgendwie zu Hause, aber dennoch total fremd. Oftmals werde ich angesehen, als käme ich von einem anderen Stern. Könnte da ein bunter Anzug helfen?

Es ist Halbzeit. Fünf von zehn Wochen bin ich nun hier. Es hat sich ein gewisses Gefühl von „heimisch“ eingestellt. Natürlich vermisse ich einiges, aber von Heimweh keine Spur. Viele Dinge sind noch mehr als fremd und undurchsichtig für mich. Zwischenzeitlich gibt es aber auch schon einiges, das mir auf eine gewisse Art vertraut ist. Ich weiß zumindest häufig wie es funktioniert, auch wenn ich es nicht immer nachvollziehen kann. Hier meine 10 Lieblinge:

1. Der Anzug.

In Kambodscha trägt Frau mittleren Alters gerne Anzug. Besonders gerne bunt gemustert, in kräftigen Farben, Ober- und Unterteil einheitlich. Auch glänzende Ausführungen sind häufig zu sehen. Glücklicherweise kann ich mich als Fremde hiervor drücken. Als ich irgendwann sagte, dass diese Anzüge irgendwie wie Schlafanzüge aussehen, bekam ich eine lustige Antwort: "Das sind Schlafanzüge". Wie praktisch ist das denn. Jetzt überlege ich, mir möglicherweise doch eines dieser Exemplare zuzulegen. Mal sehen, was hier auf den Märkten so zu finden ist.

2. Das Nummernschild.

Bei meiner ersten Tour mit dem Moped nach Kratie stellte ich, im Guesthouse angekommen, mit Erschrecken fest, ich hatte das Nummernschild verloren. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf und ich schrieb sofort eine E-Mail an Dary. Von ihr hatte ich das Moto - so sagt man hier - gemietet. Wie sollte ich nur wieder zurückkommen?! Heute weiß ich: Es gab nie ein Nummernschild. Ich war immer ohne unterwegs. Das ist hier üblich. Es hängt stets davon ab, wohin man fährt und ob dort Kontrollen stattfinden. Nichts für deutsche Nerven.

3. Der Regen.
Aktuell ist Trockenzeit. Die Regenzeit wird voraussichtlich zwischen Mai und Juni einsetzen. Am Wasserstand des Mekong kann man gut erkennen, dass die letzte Regenzeit schon lange zurückliegt. Dennoch gab es in den letzten fünf Wochen nachts dreimal starken Regen. Und das schönste daran ist der Morgen danach. Ein Traum. Dieser Traum dauert zwar nur wenige Stunden, aber selbst um 7 Uhr morgens kann man noch gut joggen und es ist total angenehm. An all den anderen Tagen ist es um diese Zeit schon fast zu warm für alles.

4. Die Hochzeit.

Es ist Hochzeit für die Hochzeit. Noch vor der Regenzeit wollen alle hier unter der Haube sein. Bereits in der ersten Woche hier hatte ich das Vergnügen. Es ist weniger eine Feier als ein Spektakel. Es wird ein großes Zelt aufgebaut, es ist unglaublich laut, Braut und Bräutigam ziehen sich mindestens sechsmal um, es wird viel Bier getrunken, die Frauen sind so schön zurecht gemacht, als wären sie auf dem Weg zu einem Fotoshooting und es wird getanzt - ganz viel und ganz speziell. Ich hatte warmes Bier mit Eiswürfel und ganz viel Spaß.

5. Der Handytarif.

Gleich nach meiner Ankunft in Kambodscha habe ich mir in Phnom Penh eine Telefonkarte besorgt. Eine Prepaid-Karte. Ein zusätzliches Handy war bereits mit im Gepäck. Natürlich bin ich – es war mein erster Tag hier – mit dem „Touri-Paket“ aus dem Laden gekommen. Alles war viel zu teuer und wenig sinnvoll. Ich wollte eigentlich nur telefonisch erreichbar und online sein, um WhatsApp und GoogleMaps nutzen zu können. Zwischenzeitlich bin ich fast schon Tarif-Profi, kann meine Tarife eigenständig umstellen, kenne alle erforderlichen Zahlenkombinationen. Es läuft super.

6. Der Fahrradreifen.

Bee hat mir liebenswürdigerweise ihr Fahrrad überlassen. Ich darf es nutzen, wann immer ich möchte. Besonders gerne abends nach der Arbeit mache ich kleine Touren. Ich hatte schon zwei Schäden. Beim ersten Mal musste ich lange suchen, bis ich jemanden fand, der die Reparatur übernahm. Beim zweiten Mal ging der Hinterreifen kaputt. Ich wusste zwar wohin, war aber weit weg. Schweißgebadet angekommen, wurde ich überrascht. Der Reifen wurde in 15 min. gewechselt und kostete inkl. Montage nur 1,80 US$. Wow. Dafür bekomme ich keinen Cappuccino.

7. Der Müll.
Dieses Thema werde ich wahrscheinlich nie und nirgends verstehen. Da wird der Müll im Haus fein säuberlich gesammelt und dann einfach hinter das Haus geworfen. Überall liegen Plastikflaschen und Plastiktüten. Erklärungsversuch: „Früher gab es kein Plastik, da haben wir alles in Bananenblättern verpackt, die man einfach wegwerfen konnte. Aus Gewohnheit wird jetzt immer noch alles weggeworfen …“. Mmmmmmmm. Das zu verstehen fällt mir mehr schwer. Zu schwer.

8. Die Mittagspause.
Sie ist hier heilig. Die meisten essen zwischen 11 Uhr und 12 Uhr. Und dann wird erstmal Pause gemacht. Am liebsten ein kurzes Nickerchen in der Hängematte. Irgendwo im Schatten. Als Nicht-Mittagspausen-Macherin ist das ziemlich fremd für mich. Langsam fange ich an, mich mit dieser Idee anzufreunden. Wer weiß, vielleicht kann ich doch irgendwann meine Mittagspause fernab von meinem Schreibtisch genießen. Ich wünsche mir eine Hängematte.

9. Das Fleisch.
Die Khmer lieben Fleisch. Gegrillt, gekocht oder als Wurst, sie lieben jegliche Form von Fleisch. Kühe, Schweine, Hühner, Fische, Grillen oder auch Spinnen, kaum etwas wird nicht gegessen. Als Buddhisten dürfen sie aber keine Tiere töten. Verrückt. Wie funktioniert das jetzt? Zum Glück gibt es auch Nicht-Buddhisten wie zu Beispiel die Cham, eine hauptsächlich sunnitisch-muslimische Minderheit. Sie schlachten Tiere. Als Wenig- bis Nicht-Fleisch-Esser habe ich hier oftmals ein echtes Problem. Nur Gemüse? „Ohne Fleisch“ finden hier alle ziemlich seltsam.

10. Der Hühnerfuß. 
Hühnerfüße sorgen für einen schönen Teint der Frauen, so sagt man hier. Und sie sind für die meisten ein wahrer Leckerbissen. In der Tat habe ich bis jetzt nur Frauen an Hühnerfüßen knabbern sehen. Für mich sieht es interessant aber auch etwas crazy aus, wenn Frauen an Hühnerfüßen knabbernd über die Straße gehen. Vielleicht sollte ich doch mal versuchen. Nein, schöner Teint hin oder her, Hühnerfüße stehen nicht auf meiner Speisekarte. Bis jetzt noch nicht.

Spontan fallen mir jetzt noch Themen ein wie Singen, Essen, Schlafen, Motorradhelme, Geld, Kinder, Zucker, Sport, Schlürfen, Mopeds, Autofahren, Eier, Wäscherei, Bilder, Pizza, Coffeeshop ... vielleicht ein anderes Mal.

 

Morgen geht’s für mich fünf Tage in das 7.000-Einwohner-Städtchen Senmonoron in der Provinz Mondulkiri. Warum ich ausgerechnet dahin fahre und was ich dort machen werde, erzähle ich beim nächsten Mal.

 

Erkenntnis der Woche: Hühner haben schöne Füße und Hühnerfüße machen schön.

________________________________

Location der Woche:

Hier wohne ich.


________________________________

Essen der Woche:

Frühstück am Mittwoch im Smile Restaurant in Kampong Cham.

  • Gemüsesuppe mit Reisnudeln
    dazu Chilli und Lime

I like.


________________________________

Clip der Woche:

Bei jeder Hochzeit wird getanzt ...


________________________________

Lieblinge der Woche:

Die Mädchen vom Smile Restaurant.

Hier nur vier von über zwanzig. Sie arbeiten im Service und in der Küche. So schüchtern, so charming ... und sie können alle so toll singen.


________________________________

Bilder der Woche:

________________________________